Der "Helgoland-Sansibar"-Vertrag
von Dr.Burkhard Vieweg
Seitdem am 1.Juli.1890 die Insel Helgoland
aus britischem Besitz wieder an Deutschland zurückkam - ab 1714 war
sie dänisch, ab 1807 britisch - wird ständig behauptet, die Insel
Sansibar sei das Tauschobjekt gewesen, schließlich gebe es doch den
"Helgoland-Sansibar"-Vertrag. Selbst in Lexika ist dieser Unsinn nachzulesen.
Richtig ist: Sansibar war
niemals eine deutsche Kolonie und kann deshalb auch nicht gegen Helgoland
eingetauscht worden sein. Bis 1890 war Sansibar ein selbständiges,
freies Sultanat, das dann von den Engländern ihrem Kolonialreich einverleibt
wurde. Der sogenannte "Helgoland-Sansibar"-Vertrag heißt in Wirklichkeit
"Vertrag über Kolonien und Helgoland". In ihm wurde der Tausch Helgolands
im Rahmen von größeren Grenzregulierungen zwischen britischen
und deutschen Kolonien in Afrika festgelegt.
Wichtigster Punkt in jenem Abkommen ist
die Übergabe von Wituland, einer damals deutschen Kolonie in dem heutigen
Kenia, an die Engländer. Wituland? Eine unbekannte Kolonie (1885-1890)
zu Kaisers Zeiten!? Auch dieser Sachverhalt blieb der Öffentlichkeit
bis heute weitgehend unbekannt. Nur Briefmarkensammler schmunzeln: Sie
wissen von den seltenen Marken aus Deutsch-Witu, die jeder gerne besitzen
möchte. Deutsch-Witu erstreckte sich mit einem später noch hinzugekommenen
Gebiet von der Tana- bis zur Juba-Mündung in Somalia, über 300
Km Küstenlinie. Außerdem verzichtete Deutschland auf jüngste
Erwerbungen von Dr. Carl Peters in Uganda und bei Mombassa, an denen Berlin
von Anfang an kein Interesse hatte.
In Südwestafrika verlor Deutschland
auch das kleine Ngamy-Gebiet, das dem britischen Betchuanaland angegliedert
wurde.
Um
den Deutschen entgegenzukommen, verpflichtete sich England in dem Abkommen,
den Sultan von Sansibar, Said Bargash, zu veranlassen, den ihm gehörenden,
der Insel gegenüberliegenden 16 km tiefen Küstenstreifen (mit
dem damaligen Fischerdorf Daressalaam) an die Deutschen zu verkaufen, damit
Deutschland freien Zugang zu seiner Kolonie Deutsch-Ostafrika im Hinterland
habe. So geschah es, der Küstenstreifen wechselte für 4 Mio Goldmark
den Besitzer. In Südwestafrika erhielt Deutschland den sogenannten
"Caprivi-Zipfel" (über 20.000qkm), um eine Verbindung zum Sambesi
herzustellen. Weiterhin erfolgten im beiderseitigem Interesse Grenzkorrekturen
in Kamerun und Togo.
Betreffend Sansibar heißt es im vorletztem
Artikel des Abkommens lediglich:"Deutschland verpflichtet sich, die (vorgesehene)
Schutzherrschaft Großbritanniens anzuerkennen über...die Inseln
Sansibar und Pemba.." Das freie Sansibar wurde also von England vereinnahmt
und Deutschland drückte beide Augen zu. Von einem Tausch "Helgoland
gegen Sansibar" oder wie es auch häufig zu lesen ist "Helgoland gegen
Handelsrechte auf Sansibar" kann keine Rede sein. Die irrtümliche Ansicht, daß Helgoland
gegen Sansibar eingetauscht wäre, entstand bereits wenige Tage nach
dem Vertragsabschluß, im Juli 1890. Bismarck, der sich nach seiner
Entlassung auf sein Schloß Friedrichsruh zurückgezogen hatte,
wurde von Reportern bestürmt und gefragt, was er von dem Vertragsabschluß
seines Nachfolgers Caprivi halte. Bismarck, in der Rolle des Ausgebooteten,
antwortete verstimmt, daß man in der Politik mehr Ausdauer aufbringen
müsse; nach ein paar Jahren Geduld und Verhandeln hätten wir
Sansibar haben können und nicht die Engländer. So aber sei dies
ein Verlust für uns.- Die Reporter griffen das Wort "Verlust" auf
und am nächsten Tag stand überall in de Presse zu lesen, daß
Deutschland das große Sansibar gegen das kleine Helgoland verloren
habe. Kein Dementi half mehr. Die Meinung "Helgoland gegen Sansibar" setzte
sich durch. |