Stellungnahme des Traditionsverbandes ehemaliger Schutz- und Überseetruppen
zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Maji-Maji-Aufstandes in Deutsch-Ostafrika


In den letzten Juli-Tagen 1905 brach im Süden von Deutsch-Ostafrika, in den Matumbibergen westlich des Bezirkshauptortes Kilwa-Kivindje , für die Kolonialverwaltung völlig unerwartet und ohne jegliche erkennbare Vorzeichen, der sogenannte Maji-Maji-Aufstand aus, der sich rasch nach Norden bis etwa zur Mittellandbahn und nach Westen hin bis zum Nyassa-See über ca. ein Drittel der Kolonie ausbreitete und in mehr als einjähriger Dauer verheerende Folgen für die Aufständischen, die unbeteiligte Bevölkerung im Aufstandsgebiet und die wirtschaftliche Entwicklung im Süden zeitigte.

Wie schon 2003/04 anläßlich des 100. Jahrestags des Ausbruchs des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika wird auch dieser Jahrestag in deutschen Medien wieder eine Flut von Anschuldigungen und unbegründeten Behauptungen gegen das Gouvernement, seine nachgeordneten Behörden und die Schutztruppe mit sich bringen, wohl durchweg mit dem Tenor, daß „der Freiheitskampf der Schwarzafrikaner gegen die Unterdrücker und Ausbeuter brutal, unmenschlich und völkermörderisch niedergeschlagen“ worden sei. Vor den abenteuerlichsten Erfindungen und Greuelgeschichten wurde dabei schon bisher nicht zurückgeschreckt: sie reichen von der Behauptung, „Schulklassen“ hätten „den Hinrichtungen“ von Anführern „beiwohnen müssen“, über „aufgespannte Menschenhaut“ bis zur ebenso verlogenen wie absurden Kolportage, daß Askari in Liwale (einem Posten im Dondoland, der niedergebrannt wurde und dessen Besatzung bis auf wenige fiel) „lebende Kinder mit Bohnen gekocht und die Eltern zum Essen gezwungen haben“ sollen.

Ein Verbreiter solcher Lügen, Jigal Beez, Autor pseudowissenschaftlicher Pamphlete über den Aufstand, forderte in einem als Anklage gehaltenen Vortrag am 2.4.05 in Königswinter „eine offizielle Entschuldigung für die begangenen Kolonialverbrechen“ der Deutschen, wohl nach dem Vorbild der Frau Wiezorek-Zeul in Okahandja.

Für eine solche, mit moralisierendem Unterton verlangte „Entschuldigung“ besteht auch aus heutiger Sicht keine Veranlassung. Die Ursachen des Aufstandes, über die nach dessen Ausbruch lange gerätselt worden war, lagen nicht, wie man heute vielfach glauben machen will, in einer „Unterdrückung“, „Ausbeutung“ und schlechten Behandlung der Bevölkerung durch deutsche Behörden, vielmehr war der Ursprung in erster Linie bei der Unzufriedenheit von Häuptlingen, zunächst der Wagindo und Wapogoro, mit der neuen Ordnung zu suchen, die sich durch arabischen und deutschen Einfluß alter Rechte und damit verbundener Einnahmen beraubt oder in diesen eingeschränkt sahen, wozu in gewissem Umfang auch die – freilich sehr milde – Besteuerung und der „ewige Ansporn zu Arbeit“ (August Fonck) gehörten. „Dazu kam wohl das Bestreben, sich von Verschuldung, von Ausbeutung durch gierige Händler und von Bedrückung durch einzelne farbige Beamte, politische Agenten und dergleichen frei zu machen“ (August Fonck).

Zu Hunderten wurden farbige Händler von den Aufständischen niedergemetzelt, was mit einem „Freiheitskampf gegen die weißen Eindringlinge“ gewiß nichts zu tun hatte. Nur der Aberglaube, der Glaube an die Kraft des Zauberwassers (maji = Wasser), das Geschosse der Weißen und Askari zu Wassertropfen werden lassen sollte, an den in Gestalt einer Schlange in den Pangani-Schnellen des Rufiji lebenden Geist und den „Bohero“ als den Vermittler zwischen diesem Geist und den Menschen sowie andere Scharlatane und deren bereitwillig geglaubte Erzählungen setzte die Urheber des Aufstandes in die Lage, die Massen zu fanatisieren und zu Tausenden gegen die Hinterlader und Maxim-Gewehre der zahlenmäßig weit unterlegenen, gegen 10-, 20-, ja bis zu 50-fache Übermacht ankämpfende Schutztruppe mit Todesverachtung anrennen zu lassen. Deren Chance lag allein in ihrer überlegenen Bewaffnung, der militärischen Befähigung ihrer Führer und Disziplin und Ausbildung der Askari. Die Belagerung der und der Sturm auf die Stationen Kilossa, wo die Aufständischen die gesamte Dorfbevölkerung niedermetzelten, Mahenge (Hptm. von Hassel) und Songea in Ungoni (Bezirksamtmann Hptm. a.D. Richter mit dem Gefecht von Uwerekwa am 3.9.05) sind beredte Beispiele hierfür.

Den Wagindo-Zauberern Kinjala und Hongo gelang es auch, die Mehrzahl der Häuptlinge des kriegerischen Zulu-Volks der Wangoni im Südwesten des Landes, vor allem den „König“ Chabruma, mit der Zauberwasser-Mär auf ihre Seite zu ziehen, die seit der Ansiedelung der St. Benediktus-Missions-Genossenschaft in Peramiho bei Songea und der Errichtung der sie gegen Einfälle von außen schützenden Militärstation Songea 1897 keinerlei Veranlassung gehabt hatten, sich beschwert oder gar unterdrückt zu fühlen. Kinjala gab vor, von Gott gesandt zu sein, und behauptete, alle Europäer an der Küste seien bereits getötet. Drei von einem unsichtbaren Geist geführte Affen, die auf die Dächer der Europäer-Häuser sprängen und diese in Brand setzten, kämen von der Küste nach Ungoni (E.Ebner OSB, The History of the Wangoni).

Mit dem Versuch, den Wayao-Sultan Mataka auf portugiesischem Gebiet mit der Erklärung, man habe von Gott einen Auftrag zur Vertreibung der Weißen erhalten, blieb der Wangoni-Häuptling Songea freilich ohne Erfolg. Mataka hatte nicht vergessen, daß es die Deutschen in Ungoni gewesen waren, die die Wangoni-Überfälle auf sein Land und dessen Verwüstung zum Erliegen gebracht hatten. Auch dies belegt, daß die heutige „offizielle“ Lesart von dem Maji-Maji-Aufstand als „one of the earliest struggles for the dignity of mankind“ (Legal and Human Rights Centre, Tanzania) oder dergleichen zumindest durchaus fragwürdig ist, ohne daß man etwa auf die Abschlachtung der schwarzen Frauen und Kinder in Liwale durch die Aufständischen am 15.8.1905, die Ermordung des Pflanzers Hopfer in den Matumbi-Bergen, des Benediktiner-Missions-Bischofs Kassian Spieß und der vier deutschen Missions-Schwestern und –Brüder auf dem Weg von Kilwa nach Songea zur gleichen Zeit oder des Benediktiners Francis Leuther und sieben schwarzer Christen bei der Plünderung und Zerstörung der Mission Peramiho am 9.9.1905 verweisen müßte.

Keine Kolonialmacht der damaligen Welt hätte Vorgänge wie diese untätig hingenommen. Daß auch die deutsche Verwaltung unter dem honorigen und untadeligen Gouverneur Adolf Graf von Götzen dies nicht tat, sondern den durch einige wenige Häuptlinge von langer Hand unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit vorbereiteten Aufstand mit militärischen Mitteln niederkämpfte, ist ihr ebensowenig vorzuwerfen wie es unberechtigt ist, das nicht nur zum afrikanischen Buschkrieg gehörende Niederbrennen von Hütten und die Zerstörung verborgener Vorräte zum Zwecke der Schwächung des Gegners als „barbarische Methode“ und „Aushungerungskrieg“ zu bezeichnen. Wenn dabei zuweilen auch nicht am Aufstand beteiligte Bevölkerung betroffen wurde und es – vor allem auch durch den vorsorgelosen Verbrauch der letzten reichen Ernteerträge und die Schlachtung allen erreichbaren Viehs schon zu Beginn der Aufstandszeit – zu Hungernotständen kam, so konnte dies in einem Krieg dieser Art nicht ausbleiben. Es sollte dabei aber nicht vergessen werden, daß die Verwaltung nicht nur schon vor Beginn des nicht vorhergesehenen Aufstandes durch Speicherung von Erntevorräten für den Fall von Hungersnöten in der Bevölkerung vorgesorgt hatte, wie es sie immer wieder einmal gegeben hatte, sondern nach dem Ende des Aufstandes alle verfügbaren Mittel zur Behebung des
Notstandes einsetzte, so durch die Speisung von Hungernden, Verteilung von Saat, Aufkauf von Erntevorräten in nicht betroffenen Gebieten zur Verteilung, Entsendung von Ärzten zur Impfung gegen Pocken – Maßnahmen, mit denen die Bezirksämter und –nebenstellen immerhin Großes leisteten.

„Was dem Aufstand folgte, war für die Eingeborenen schlimmer als die offenen Kämpfe“ (Jahresbericht des Gouvernements für 1907). Dies aber der Verwaltung und der Schutztruppe anzulasten, geht ebenso fehl, wie der Versuch, ihnen die Verluste der Aufständischen und der nicht beteiligten Bevölkerung durch Hunger und Krankheiten als „Kolonialverbrechen“ vorzuwerfen. Niemand konnte die Zahl der durch Kriegshandlungen, Hunger und Krankheit Gestorbenen wirklich ermitteln. Heute verbreitete Zahlen sind deshalb obsolet. Galt dies schon für eine Schätzung der Verwaltung nach dem Aufstand, so um so mehr für die im britischen „Handbook of Tanganyika“ von 1930 vermutete Zahl von etwa 120000 und die von einem tanzanischen Historiker völlig aus der Luft gegriffene , von anderen aber um so bereitwilliger aufgegriffene Zahl „zwischen 250000 und 300000“.

Wie immer man den Maji-Maji-Aufstand von Ursachen, Verlauf und Auswirkungen her bewertet, ein großes Unglück für das Land war er jedenfalls. Ihn als „Beweis deutscher Schuld“ zu institutionalisieren, ist jedoch so verfehlt wie die ideologisch begründete Forderung einer „Entschuldigung“.


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