(von Horst Hübner)
Verwaltung und wirtschaftliche Nutzung Deutsch-Ostafrikas lagen in den ersten Jahren nach der Inbesitznahme (1885 – 1891) bei der D.O.A.G.
(Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft). Sie hatte auch staatliche Befugnisse (Hoheitsrechte), die sie unter Aufsicht und Kontrolle des Reiches ausübte. Da sie notwendigerweise als Wirtschaftsunternehmen auf Gewinn ausgerichtet war, versuchte sie die Verwaltungskosten möglichst gering zu halten. Sie unterhielt daher zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nur eine geringe Zahl eingeborener Soldaten (sog. Askaris) und Polizisten.
Als 1888 ein gut organisierter arabischer Aufstand ausbrach, der nicht zuletzt darauf beruhte, dass das lukrative Geschäft des Sklavenhandels durch die deutsche Herrschaft zunichte gemacht wurde, waren diese geringen Sicherheitskräfte nicht in der Lage ihm ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen. Alle Küstenorte bis auf Dar-es-Salam und Bagamoyo gingen verloren, wobei die letzteren sich nur Dank des Eingreifens der Kaiserlichen Marine halten konnten.
Auf Grund der bedrohlichen Ausmaße des Aufstandes wurde der erfolgreiche Afrikaforscher und Offizier Hermann Wißmann (später geadelt) durch AKO
(Allerhöchste Kabinettsorder) vom 3. Februar 1889 gemäß „Gesetz betreffend den Schutz der deutschen Interessen und Bekämpfung des Sklavenhandels in Ostafrika“ zum Reichskommissar für Ostafrika ernannt. Er wurde zum Hauptmann und später zum Major befördert und nachdem der Reichstag die Mittel (2.000.000 Mark) bewilligt hatte, damit beauftragt wieder geordnete Verhältnisse herzustellen.
Am 8. Februar begann er mit Genehmigung der ägyptischen Regierung die Anwerbung mehrerer hundert demobilisierter sudanesischer Soldaten der anglo-ägyptischen Armee, die durch den Mahdi-Aufstand nicht mehr in ihre Heimat im Südsudan zurückkehren konnten. Dieser Tag ist gemäß AKO vom 16. September 1911 der Stiftungstag der späteren Kaiserlichen Schutztruppe.
Als Gegengewicht gegen die rein mohammedanischen Söldner aus dem Sudan wurden in Portugiesisch-Ostafrika (Mozambik) noch etwa zweihundert Zulus angeworben.
Bevor die Uniformen geliefert werden konnten, handelte es sich um eine wahrhaft bunte Schar, zumal die Sudanesen auch noch ihre Frauen und Kinder mitbrachten. Ein zeitgenössischer Chronist beschreibt den Anblick folgendermaßen: “Die Kleidung bestand aus allen nur denkbaren Toilettenstücken des Occidents und Orients. Fetzen von unbestimmbarer Form, Hosen, alte Plätthemden, arabische Tücher und Kaftane, Turban, Fez und Zylinder, türkische Pluderhosen und
karierte Giggerl – Unaussprechliche, alles war vertreten und bot oft einen unsäglich lächerlichen Anblick, der noch dadurch erhöht wurde, daß im Anfang wegen mangels an Gewehren mit Stöcken exerziert wurde“ ( P. Reichard, S. 156-157 ).
Nach der Einkleidung hielten die Sudanesen ihre Uniformen in tadellosem Zustand, während die Uniformen der kleidungsungewohnten Zulus nach kurzer Zeit wieder trostlos aussahen. Auch ließ man die Zulus barfuss
gehen, weil sie sich an Schuhe nicht gewöhnen konnten. Trotz aller Schwierigkeiten gelang es Wißmann in kürzester Zeit aus Sudanesen und Zulus eine schlagkräftige Truppe zu machen, die zu Beginn der Operation im Jahr 1889 folgenden Bestand hatte:
I: an Deutschen:
1 Kommandant (der Reichskommissar Hauptmann Wißmann selbst, seit November 1889 Major),
8 Chefs (Chef = Hauptmann), darunter 1 Chefarzt; die meisten Chefs verfügten bereits über
afrikanische Erfahrung,
13 Leutnants (zumeist direkt aus den heimischen Armeen übernommen),
1 Arzt,
7 Proviantmeister,
56 Unteroffiziere (einschl. Sanitätspersonal),
II. an Farbigen bzw. Nichtdeutschen:
6 Sudanesenkompanien zu 100 Mann,
30 Sudanesen als Artilleristen,
1 Zulukompanie zu 100 Mann (später um 1 Kompanie erweitert),
1 Zug landeseingeborene Askaris: 80 Mann,
40 Somalis,
2 türkische Polizeihauptleute,
20 türkische Polizisten.
Die Bewaffnung der farbigen Soldaten bildete die Jägerbüchse bzw. Karabiner M.71 und Seitengewehr 71/84.
Die Artillerie der Truppe bestand aus 12 leichten Feldgeschützen, die aber wegen der Eigenarten des Geländes und des Mangels
an Transportmitteln nur zur Armierung der Stationen zu gebrauchen waren.
1 Maschinengewehr, 1 6-cm-Berggeschütz, 6 4,7-cm-Schnellfeuergeschütze.
(zitiert aus: Rochus Schmidt, Hermann von Wißmann und Deutschlands koloniales Wirken, Berlin,
o.J. , S. 78/79)
Alle Angehörigen der Truppe, Farbige wie Weiße waren auf Wißmann vereidigt und nicht etwa auf den deutschen Kaiser oder das Deutsche Reich. Das galt, wie gesagt, auch für die europäischen Offiziere und Unteroffiziere, die soweit sie dem deutschen Reichsheer angehörten, aus diesem ausschieden.
Lediglich v. Wißmann blieb als Major à la suite (= ehrenhalber) Angehöriger der preußischen
Armee.
Der Aufstand konnte bis 1890 erfolgreich niedergeschlagen werden und die sog.
“Wißmanntruppe“ wurde durch Gesetz vom 22.3.1891 als Kaiserliche Schutztruppe in den Reichsdienst übernommen, nachdem das Deutsche Reich anstelle der D.O.A.G. die hoheitlichen Aufgaben übernommen hatte.
Benutzte Quellen: |
Zeitschrift für Heereskunde Bd. 1929-33 S. 440 f, S. 542 f und 560 f, |
“ Die Zinnfigur“, Uniformheft 24; |
Albert Kneuttinger: Ostafrika 1884-1911 III. Die Schutztruppe in
Deutsch- Ostafrika, |
Nigmann, Ernst: Geschichte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, Berlin 1911, |
Reichard, Paul: Deutsch-Ostafrika, Leipzig 1892, |
Schmidt, Rochus: Deutschlands Kolonien, Berlin o. J. |
Schmidt, Rochus: Hermann v. Wißmann und Deutschlands koloniales Wirken, Berlin o. J. |
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